Um den Querschnitt der Bevölkerung und deren Probleme und Anforderungen an das alltägliche Leben widerzuspiegelnd, wurden vom Fraunhoferinstitut IAO in Stuttgart Anwendungsfälle erarbeitet. Diese fiktiven Personen sollen einen Einblick in den Alltag geben und mögliche Ansatzpunkte zur Hilfe aufzeigen.
82 Jahre Familienstand: ledig, keine Angehörigen Netzwerk: Freunde sind alle gleich alt bzw. älter und sehr eingeschränkt mobil, Unterstützung durch eine Putzfrau, die auch in die neue Wohnung kommt Wohnsituation: Betreutes Wohnen Gesundheitszustand: Nächtliche Unruhe, Rückenschmerzen Beruf: Physiotherapeutin (im Ruhestand) Besonderes: neugierig auf neue Unterstützungstechnologien »Es ist schon prima, dass ich jetzt in dieser betreuten Wohnung mit allem, was ich noch brauche, angekommen bin. Das einzige was mir wirklich Sorge bereitet ist, dass ich nachts total unruhig bin und nicht gut schlafen kann. Ich stehe mehrmals auf und laufe umher.«
Beschreibung Frau Eule ist erst vor kurzem ins Betreute Wohnen gezogen. Ihr ist ihre Selbständigkeit sehr wichtig. Nachts ist sie sehr unruhig. Sie kann wegen ihren Rückenschmerzen schlecht schlafen und steht mehrmals auf und läuft in der Wohnung herum. Sie macht kein Licht, um nicht noch wacher zu werden. Aufgrund plötzlich auftretender Rückenschmerzen hat sie das Bedürfnis, sich festzuhalten und abzustützen. Einen Rollator hat sie bisher abgelehnt. Frau Eule interessiert sich für ihre neuen Nachbarn und erhofft sich ein Geben und Nehmen. Frau Eule wünscht sich, mal wieder durchschlafen zu können und weiterhin selbstständig zu bleiben. Sie erhofft sich einen Neuanfang mit Kontakten in der Nachbarschaft. Sie braucht eine Umgebung, in der sie sich sicher bewegen kann sowie ein attraktives Hilfsmittel (z. B. Rollator), das ihr Halt gibt, aber nicht stigmatisiert. Damit könnte sie auch außerhalb ihrer Wohnung beschwerdeabhängig zwischen Gehen und Sitzen abwechseln, so dass ihre Unruhe nicht so sehr auffällt. Sorge bereitet Frau Eule, dass sie in ihrem Umfeld noch nicht alle Hürden und Stolperfallen kennt und stürzen könnte. Vor allem der nächtliche Weg zur Toilette macht ihr Sorgen, aber auch die Lichtverhältnisse außerhalb ihrer Wohnung im nahenden Herbst und Winter. In ihrem Alter hätte das womöglich schwere Folgen für ihre Selbstständigkeit. Da sie in der Nacht nicht durchschläft, ist sie auch am Tag oft müde und schlapp. Ihre Aktivität leidet darunter. Außerdem ist sie sich noch unsicher, wie sie Kontakte in ihrer neuen Wohnumgebung knüpfen kann.
62 Jahre Familienstand: verheiratet Netzwerk: Sohn lebt mit seiner Partnerin 10 km entfernt Wohnsituation: lebt mit dem Ehemann (Rentner) in einem Haus mit Garten am Stadtrand Gesundheitszustand: Eingeschränkte Seh- und Hörfähigkeiten, Arthrose in beiden Kniegelenken Beruf: Fachverkäuferin für Schuhe, Frührente seit 2 Jahren Besonderes: resigniert »Ich glaube, ich werde nicht immer für voll genommen. Ich bekomme halt nicht alles mit oder muss häufiger mal nachfragen. Manchmal ist es mir aber auch unangenehm, nachzufragen oder immer wieder zu bitten, dass mein Gegenüber deutlicher spricht. Da ziehe ich mich dann zurück. Mein Mann ist da auch nicht so geduldig mit mir.«
Beschreibung Frau Spatz ist im Hören und Sehen eingeschränkt. Oftmals bekommt sie in Gesprächen nicht alles mit bzw. muss sich sehr auf ihr Gegenüber konzentrieren, und sie vergisst vieles. Sind mehrere Menschen gesellig zusammen, fällt ihr die Kommunikation sehr schwer, und sie zieht sich innerlich zurück. Manche Veranstaltungen meidet sie absichtlich, weil sie für sie zu anstrengend sind. Frau Spatz wünscht sich wieder mehr Teilhabe am Leben und Unabhängigkeit. Vor allem die Kommunikation und den Kontakt zu anderen Menschen möchte sie gern aufrechterhalten. Sie erhofft sich mehr Geduld in ihrem Umfeld sowie besseres Licht und auch bessere Akustik im öffentlichen Raum (Restaurants, Theater, Bus und Straßenbahn etc.), damit sie trotz ihrer Einschränkungen wieder »dabei« sein kann, aber gleichzeitig nicht so angestrengt ist. Sorge bereitet Frau Spatz, dass sie das Geschehen um sich herum nicht mehr mitbekommt und ihr alles zu viel wird. Sie befürchtet, dass ihr Umfeld sie womöglich nicht ernst nimmt. Da sie nicht alles mitbekommt, wirkt sie ungeschickt und vergesslich. Sie spürt, dass sie zunehmend resigniert und sich zurückzieht. Sie fürchtet sich vor einer weitergehenden Isolation. Auch hat sie Angst, dass ihre Beziehung weiter leidet.
91 Jahre Familienstand: verwitwet Netzwerk: Nachbarn im Haus (alle berufstätig bzw. tagsüber in der Schule) Enkel studiert in der Stadt und kommt 1x/Woche vorbei Wohnsituation: wohnt im 1. Stock ihres eigenen Hauses in der Stadt Gesundheitszustand: allgemeine Schwäche, geringe Ausdauer und Belastbarkeit Beruf: Hausfrau Besonderes: kann keine Hilfe annehmen, skeptischer Typ »Ich komme gut klar. Es braucht halt alles seine Zeit und es ist alles etwas beschwerlich. Aber mir ist wichtig, dass ich alles noch selber mache, so lange ich kann. Meine Nachbarn könnte ich bestimmt um Hilfe bitten, wenn was wäre. Aber tagsüber ist ja niemand da, die sind alle arbeiten und in der Schule. Ein bisschen mehr rauskommen wäre schon schön. Aber dafür fehlt mir einfach die Kraft und so einen hässlichen Rollator möchte ich auch nicht.«
Beschreibung Frau Specht war früher sehr aktiv und immer gerne in der Stadt unterwegs. Aufgrund ihrer allgemeinen Schwäche verlässt sie das Haus nur noch sehr selten und auch nur in Begleitung. Ihr ist sehr wichtig, selbstbestimmt in ihrem eigenen Haus zu leben. Sie hat sehr umsichtige Mieter. Die sind zwar tagsüber nicht da, aber legen ihr z. B. morgens die Zeitung oben vor die Tür und helfen ihr, die Wäsche und Einkäufe hochzutragen, sofern sie zu Hause sind. Der Enkel kommt einmal pro Woche und hilft ihr mit Rechnungen und sonstigem Schriftverkehr und übernimmt größere Besorgungen. Frau Specht wünscht sich mehr Kommunikation und würde gerne wieder mehr rauskommen. Außerdem hätte sie gerne wieder mehr Kraft und möchte im Alltag mehr Sicherheit gewinnen. Sorge bereitet Frau Specht, dass sie ihren Alltag nicht mehr schafft. Auch hat sie Angst, pflegebedürftig zu werden und womöglich ins Heim ziehen zu müssen.
69 Jahre Familienstand: verheiratet, Ehefrau ist noch berufstätig (20h/Woche) Netzwerk: großer Freundeskreis gleichen Alters, kaum Kontakt zur Nachbarschaft, wegen häufiger Mieterwechsel im Wohnblock Wohnsituation: lebt mit der Ehefrau in einer drei-Zimmer-Wohnung im Hochparterre eines Zehn Parteien-Hauses am Stadtrand mit guter ÖPNV-Anbindung Gesundheitszustand: Herr Schwalbe leidet nach einer Operation an Harninkontinenz. Er isst wenig und trinkt schlecht. Beruf: Lehrer (im Ruhestand) Besonderes aktiv im Gesangsverein, organisiert Konzerte und Ausflüge »Ich schäme mich sehr für meine Blasenschwäche. Nachts muss ich alle zwei Stunden raus. Da komme ich selten drum herum. Unbemerkt nachts einzunässen ist für mich noch belastender als nachts aufzustehen, um auf die Toilette zu gehen. Daher höre ich gegen 17 Uhr, spätestens 18 Uhr auf, etwas zu trinken.«
Beschreibung Herr Schwalbe ist ein sehr aktiver, engagierter Mensch. Er singt in einem Chor und hat viele Jahre die Konzerte des Gesangsvereins sowie den jährlichen Sommerausflug und die Weihnachtsfeier organisiert. Wegen seiner Inkontinenz hat er alltägliche Verhaltensweisen hinterfragt. Gerade die Trinkmenge ist ein Bereich, den er selbst beeinflussen kann. Aus Sorge, in Gesellschaft Urin zu verlieren oder danach zu riechen, trinkt er extrem wenig. Inzwischen ist er auch appetitlos geworden. Es ist ihm unangenehm mit seiner Ehefrau über seine Inkontinenz zu sprechen. Natürlich weiß sie, was mit ihm los ist. Doch in alle Einzelheiten, hat er sie nicht eingeweiht. Herr Schwalbe wünscht sich am liebsten sein aktives, engagiertes Leben zurück. Er ist sich aber nicht sicher, wie dies gelingen soll. Zumindest wünscht er sich aber ein höheres Maß an Sicherheitsgefühl, wieder entspannter in Gesellschaft zu sein und ein Verständnis von seiner Umgebung. Sorge bereitet Herrn Schwalbe, dass andere Menschen seine Inkontinenz bemerken. Er fühlt sich »beobachtet« und hat Angst vor einer Stigmatisierung. In einer fremden Umgebung hat er Angst, die Toilette nicht schnell genug zu finden. Er bleibt deshalb häufig zu Hause und lässt seine Frau alleine Unternehmungen machen.
72 Jahre Familienstand: frisch verwitwet Netzwerk: Zwei Kinder leben mit eigenen Familien weit entfernt, kommen in den Ferien zu Besuch, nähere Sozialkontakte bestanden nur durch die Ehefrau Wohnsituation: Stadtwohnung im 1. OG (Miete) Gesundheitszustand: Diabetes, Antriebslosigkeit Beruf technischer Zeichner (im Ruhestand) Besonderes: technikaffin, hat früher PC und Smartphone für Schriftverkehr sowie Kommunikation mit seiner Familie genutzt »Ich habe immer alles zusammen mit meiner Frau gemacht. Wir sind bzw. waren ein gutes Team. Ich habe Papierkram und alles am Computer gemacht, sie den Haushalt. Ich habe sie zum Einkaufen, zu Arztterminen und zu ihren Freundinnen gefahren. Jetzt bin ich ganz alleine. Manchmal will ich alles hinschmeißen und einfach nur fernsehen. Meine Frau fehlt mir sehr.«
Beschreibung Herr Kuckuck ist seit dem Tod seiner Frau sehr einsam und antriebslos. Die Arbeit im Haushalt bestimmt seinen Alltag, was ihn sehr frustriert. Er hat oftmals keine Lust, sich um den Haushalt zu kümmern oder Termine einzuhalten. Die Alltagsgestaltung fällt ihm schwer. Die meiste Zeit verbringt er vor dem Fernseher. Ihm fehlen die Ansprache durch seine Frau und die Anregungen, die sie durch ihre Umtriebigkeit mitgebracht hat. Sozialkontakte zu aktivieren fällt ihm schwer. Herr Kuckuck wünscht sich eine Motivation von außen für Aktivität, weil er es alleine nicht schafft. Eine Entlastung bei seinen Haushaltsaufgaben könnte er sich auch vorstellen. Sorge bereitet Herrn Kuckuck, dass er aus seinem Tief nicht mehr herauskommt und er seine Alltagsaufgaben nicht mehr bewältigt.
73 Jahre Familienstand: verheiratet, Ehefrau ist gerade frisch im Ruhestand Netzwerk: zwei Kinder, leben mit eigenen Familien in der Stadt, unterstützen bei Post und Behördenangelegenheiten Wohnsituation: Erdgeschosswohnung mit kleinem Garten in 8-Parteien Haus, 3 Stufen am Eingang Gesundheitszustand: Halbseitenlähmung rechts mit Sprachstörung, sitzt im Rollstuhl, Bluthochdruck Beruf Ingenieur (im Ruhestand) Besonderes: Handschrift ist nicht mehr möglich, kann aber mit links gut mit Tablet umgehen »Ich hoffe, dass es für meine Frau nicht zu viel wird, mich zusammen mit dem Pflegedienst zu versorgen. Ich wäre auch gerne mal wieder draußen unterwegs, würde gern Freunde treffen. Aber durch die Wortfindungsstörungen ist es so anstrengend geworden, mich zu unterhalten auch für meinen Besuch. Ich verstehe, wenn es denen zu langweilig ist. Trotzdem möchte ich einfach mal raus. Das Wichtigste ist mir, dass ich zu Hause wohnen bleiben kann.«
Beschreibung Herr Meise ist seit einem Schlaganfall vor einem Jahr halbseitengelähmt und ist bei der Körperpflege, der Mobilität und der mundgerechten Zubereitung von Mahlzeiten auf die Unterstützung seiner Frau und eines Pflegedienstes angewiesen. Er sitzt im Rollstuhl, den er nicht selbständig antreiben kann. Er beschäftigt sich mit Zeitunglesen und Beobachten von Vögeln im Garten. Zudem löst er gern Sudokus an seinem Tablet. Er hat Wortfindungsstörungen, kann sich aber bei geduldigem Gegenüber mit Umschreibungen recht gut behelfen. Herr Meise wünscht sich, zu Hause wohnen bleiben zu können. Er sieht, dass seine Frau mit der Pflege stark belastet ist, möchte aber auf gar keinen Fall in eine Pflegeeinrichtung. Er wäre gern auch außer Haus unterwegs und möchte Freunde und ehemalige Kollegen treffen und nicht nur »Krankenbesuch« bekommen. Sorge bereitet Herrn Meise seine Abhängigkeit von seiner Frau und dass die Pflege für sie zu anstrengend wird. Sie soll ihren Ruhestand genießen können und körperlich gesund bleiben. Zudem beschäftigt ihn, dass er vereinsamen könnte, weil sein Umfeld nicht geduldig genug mit ihm ist und es für andere zu anstrengend ist, mit ihm in seiner langsamen Art zu kommunizieren.
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